Superfoods – wirklich super?

Stand: 01/19/2016
Superfoods erobern derzeit Supermärkte und Naturkostläden. Was steckt dahinter? Sind diese Lebensmittel besser und „gesünder“ als andere?

Der Begriff Superfood ist weder gesetzlich geregelt noch geschützt. Gemeint sind Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer hohen Nährstoffdichte und ihres hohen Gehaltes an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen gesundheitsförderlich auswirken. Sie sollen in unserem Körper Unglaubliches leisten: das Herz schützen, die Hautalterung verlangsamen oder die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Dafür sind immer mehr Konsumenten bereit, tief in die Tasche zu greifen.

Superfoods werden selten frisch, sondern getrocknet, verarbeitet in Müslis oder als Pulver zum Einrühren in Wasser oder Smoothies angeboten. Auch in Kapselform werden sie als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Zu den beliebtesten Superfoods gehören Chiasamen sowie Gojibeeren, Matcha oder Açaibeeren. Weiterhin werden Hanfsamen und Aronia beworben. Welche Ausmaße der Hype um Trendlebensmittel annehmen kann, zeigt der Grünkohl, der als „Kale“ in New York als neues Superfood gefeiert wird – allerdings nicht als spießiges Gemüse zubereitet, sondern als Smoothie oder als Chips geröstet. Kale findet nun auch den Weg in die deutsche Gastroszene.


Datenlage zu Inhaltsstoffen

Besonders den Naturprodukten aus den Anden oder dem Himalaya trauen gesundheitsbewusste Kunden wahre Wunder zu. Die meisten Informationen über Superfoods stammen von gewerblichen Anbietern. Die Nährwertangaben weichen sehr voneinander ab. Wissenschaftlich basierte Daten geben oft nur Werte für die Hauptnährstoffe an, gesicherte Daten zu einzelnen sekundären Pflanzenstoffen oder Enzymgehalten fehlen. Ebenso fehlen wissenschaftliche Belege für die angepriesenen präventiven oder sogar heilenden Wirkungen.

Goji-Beeren zum Beispiel enthalten gegenüber anderen Früchten zwar besonders viel Eisen, Kalzium, Magnesium sowie die Vitamine A, C und E. Schon lange werden sie in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet. Ihr angeblicher Verjüngungseffekt ist allerdings wissenschaftlich nicht belegt. Auch die Chia-Samen, die als „Heilsamen der Maya" gelten, haben viele wertvolle Inhaltsstoffe wie Omega-3-Fettsäuren - über langfristige Gesundheitseffekte gibt es aber keine gesicherten Aussagen. Und von den Hanfsamen sollte man nicht zu viel essen, obwohl ihre berauschende Wirkung weggezüchtet wurde: Sie sind mit 475 Kilokalorien pro 100 Gramm sehr energiereich.

Unbekannte exotische Lebensmittel bergen ein gewisses Risiko für Reaktionen bisher unbekannter Allergene, Kreuzreaktionen oder Überempfindlichkeiten. Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte an mögliche Wechselwirkungen denken. Gojibeeren dürfen laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) von Personen, die bestimmte gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, nicht einmal in Form von Konfitüre gegessen werden.

Hinsichtlich der Pestizidbelastung sind vor allem chinesische Gojibeeren aufgefallen. Auch Grüntees, zu denen Matcha gehört, sind häufig mit Pestiziden belastet.

Die Wahrheit liegt in der Mitte, wie man am Beispiel der Açaibeere aufzeigen kann. In Brasilien wächst die dunkelblaue Beere an Palmen und wird dort frisch oder als Saft verzehrt. Bei uns findet man sie in Joghurt, Saft, Smoothies, Müsli oder Schokolade. Tatsächlich hat die Açai einen hohen Gehalt an Anthocyanen. Diese dunklen Pflanzenfarbstoffe wirken antioxidativ, das heißt, sie schützen die Körperzellen vor freien Radikalen. Aber die brasilianische Beere besteht zu etwa 30 Prozent aus Fett. Anbetracht des verbreiteten Übergewichtes braucht man nicht noch zusätzliche exotische Energielieferanten.
An der Açai zeigt sich auch das Grundproblem vieler Superfoods: Man bekommt sie selten frisch, sie werden vor Ort getrocknet oder zu Pulpe, einer breiige Masse, verarbeitet. Wie viele Nährstoffe dann noch vorhanden sind, hängt davon ab, wie schonend die Verarbeitung war.


Super regional

Superfood muss nicht immer exotischer Herkunft sein. Durch den modernen Begriff wird schnell vergessen, dass viele altbewährte naturbelassene Lebensmittel positive Eigenschaften haben.

So stellt zum Beispiel Leinsamen eine gute Alternative zu Chia-Samen dar. Ihr Omega-3-Gehalt ist ähnlich hoch und die Menge an Ballaststoffen und damit die Sättigungswirkung identisch. Schwarze Johannisbeeren enthalten – bei wesentlich niedrigerem Energiegehalt – mehr Vitamin C als teure Gojibeeren. Heidelbeeren oder Sauerkirschen stehen den Açaibeeren in nichts nach. Mit hohen Anthocyangehalten punkten Holunder, Kirschen und Rotkohl. Der Gehalt ist umso höher, je länger die Pflanzen unter natürlichen Bedingungen reifen dürfen.
Viele Gerichte lassen sich durch die Zugabe bestimmter Zutaten zum Superfood aufwerten. Gibt man frisch gehackte Walnüsse auf einen Grünkohl-Auflauf mit Hafer- oder Grünkernflocken hat man schon drei Superfood-Zutaten in einem Gericht.
Grünkohl liefert übrigens doppelt so viel Vitamin C wie Orangen und enthält doppelt so viel Kalzium wie die gleiche Menge Milch. Für die vegetarische und vegane Ernährung interessant ist auch der relativ hohe Eiweißanteil. So wie bei allen Kohlsorten ist der Gehalt an Antioxidantien erwähnenswert, welche die Abwehrkräfte steigern und Körperzellen vor schädlichen Veränderungen schützen. Und als regionales Produkt entspricht er der Idee des nachhaltigen Konsums.


Fazit

Verteufeln muss man Superfoods nicht. Sie können, sofern sie nicht in Kapselform verzehrt werden, sogar neue Geschmackserlebnisse vermitteln. Doch mit Superfoods wird man weder glücklicher, noch schöner oder älter. Sie sind in erster Linie ein Marketingbegriff und gleichen keine unausgewogene Ernährung aus. Echtes Superfood kommt aus der Region und wird entsprechend der Saison verarbeitet. Es ist vielleicht nicht so cool, aber auch wesentlich günstiger im Preis.


Quellen und weiterführende Informationen


ernaehrungsberatung@dlr.rlp.de     www.fze.rlp.de/ernaehrungsberatung